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Der kleine Mann und sein Stuhl

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09.11.2004
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Der kleine Mann und sein Stuhl

Den Vorhang schließen. Das Licht zerfließt langsam, die Dunkelheit marschiert ein. Legionen von tiefem Schwarz.
Der kleine Mann nimmt auf einem Stuhl in der Mitte des dunklen Raumes platz. Zusammenwürfeln. Rationalität ausschließen. Der kleine Mann überlegt kurz. Nicht lange und er springt hastig auf. Läuft um den Stuhl. Immer und immer wieder. Nichts!
Doch! Der Stuhl schwebt. Der kleine Mann freut sich. Er applaudiert, er lacht. Ein schallendes Gelächter. Der Raum scheint unendlich. Weder Decke noch Wände. Und der Stuhl schwebt weiter ins endlose unter ständiger Begleitung vom Lachen des kleinen Mannes.
Eine Kniebeuge. Ein Sprung. Der kleine Mann landet auf dem schwebendem Stuhl. Er hüpft auf und ab und lacht. Er zieht Kreise mit seinen Händen und farbige Ringe wie Rauch kreisen in der Unendlichkeit. Blau und Gelb ergeben Lila. Kein Augenschmaus für lange Zeit. Schwarz gewinnt die Überhand, verschluckt die Farben.
Höher schwebt der Stuhl. Gleichmäßig und langsam. Der Boden ist nicht zu erkennen. Alles dunkel.
Höher, höher. Weiter, weiter.
Der kleine Mann nimmt wieder Platz. Er grinst. Gut oder böse? Er tippt mit seinen Zeigefingern auf die Armlehnen. Etwas! Es bricht aus der Lehne. Ein helles Licht. Ein Feuerball. Nicht heiß. Garnichts! Etwas bricht aus der Lehne. Ein helles Licht. Ein Eiszapfen. Nicht kalt. Garnichts!
Das Eis umtanzt das Feuer bis sich beide vereinen und gemeinsam, als eins, in der Finsternis verschwinden.
Der Stuhl ist ganz. Der kleine Mann glücklich. Mehr!
Weiter steigt der Stuhl. Ein Spiegel. STOP. Der stuhl schwebt. Auf der Stelle. Neugierde in den Augen des kleinen Mannes. Ein Blick in den Spiegel. Kein Abbild. Eine grüne Wiese. Dahinter ein Wald. Voneinander getrennt durch einen reisenden Strom. Vögel fliegen, die Sonne strahlt und die Sonne zeigt die wunderschönsten Farben. Der Himmel in blau. Die Wies in grün. Der Fluss in blau. Der Wald in grün. Die Vögel bunt. Schwarz. Langsam, Stück für Stück, zerfällt der Spiegel.
Weiter! Höher! Der kleine Mann. Die Augen weit geöffnet. Bereit, alles aufzunehmen. Ein Fenster schwebt vorbei. Die Gardinen wehen, die Rahmen klappern. Ein Blick. Idylle. Ein Rauchpilz und ein Inferno. Zerstörung. Schwarz. Das Fenster schließt sich. Schwebt dahin in die Ferne.
STOP. Der Stuhl dreht sich. Eine Träne flieht dem Auge. Einsam. Ungesehen. Auf ewig vergessen. Eine Träne macht keinen See.
Zurück! Tiefer! Etwas! Gesehen. Nichts! Verstanden. Garnichts! Unternommen. Eine Träne macht keinen See.
Der kleine Mann und sein Stuhl landen. Sicher auf dem Boden. Ist er das? Er ist schwarz. Genau wie der Rest. Unendlichkeit, Tiefe, Trauer. Unendlichkeit, Weite, Hoffnung.
Den Vorhang öffnen. Das dunkel Vertreiben. Die schwarzen Legionen ersticken. Das Licht gewinnt die Überhand. Entwirren. Verständnis. Bewusstsein.

 

Hallo Lucino

Obwohl ich die tiefere Bedeutung deines Experiments nicht ergründen konnte (-wahrscheinlich hat das Schwarze alles verschluckt -) formte dein Text einige Bilder in meinem Kopf. Allerdings blieben es aneinandergereihte Fragmente, welche bis zum Schluss keinen Sinn, bzw. auch kein "Aha" Effekt bei mir auslösten.

Kurz: Der Text ist zu abgehackt und lässt mich etwas ratlos zurück. Möglicherweise ist der Mann gefangen in seinen eigenen Zwängen (Schwarz), sieht einen Ausweg (Spiegel) und kann doch nicht entfliehen. (Eine Träne macht noch keinen See)

Wobei dieses Gleichnis mit dem See eher ein noch tieferes Absinken in die Depression beschreibt und somit etwas skuril wirkt.

Dann zieht er/jemand am Ende einfach den Vorhang auf und alles wird gut.
Aber wer (er selbst?), wie und warum ?

Auch verstrickst du dich mMn in unlogischen Abläufen.
Beispiel:
Der Mann hüpft mit einem Sprung auf den Stuhl. Etwas später nimmt er wieder Platz. Aber eigentlich sitzt er ja immer noch!

- ins endlose
Endlose

- Etwa bricht aus der Lehne
Etwas

- Der stuhl schwebt
Stuhl

-Enwirren.
Entwirren.

Ok, nur (m)eine Meinung, vielleicht hilft es dir weiter.
Gruss dotslash

 

Hi Lucino,

Ich fand die Idee mit dem Fahrstuhl gut, der auf verschiedenen Ebenen hält. Mal ist es ein Spiegel, den der kleine Mann sieht, mal ein Fenster. Ich hab einen Mann auf einer Bühne gesehen. Er zieht den Vorhang zu, dann ist alles schwarz. Ein paar Anmerkungen noch:

Zusammenwürfeln.
-> Versteh ich nicht, auch nicht beim zweiten Lesen.

Nicht lange und er springt hastig auf. Läuft um den Stuhl.
-> in kompletter Finsternis wird ihm das kaum gelingen, oder? Für mich klingt das wie eine Unmöglichkeit: Wenn man nichts sieht, zu rennen.

Der kleine Mann landet auf dem schwebendem Stuhl. Er hüpft auf und ab
-> Ich sehe den Mann sitzend auf dem Stuhl. Da kann er nicht hüpfen. Offenbar steht er aber. Vielleicht besser, um ein mögliches Missverständnis auszuschalten: landet mit den Füßen stehend auf dem Stuhl?

Er tippt mit seinen Zeigefingern auf die Armlehnen.
-> Ich hab einen Stuhl ohne Armlehnen gesehen. Hat ein Stuhl denn Armlehnen? Vielleicht besser Sessel?

Ein Fenster schwebt vorbei.
-> Dann ist der kleine Mann schon am Fenster vorbei. Vorschlag: Er schwebt einem Fenster entgegen.

Grüße aus dem finsteren München,
Stefan

 

Erstmal ein Dankeschön für die Rückmeldungen!

@dotslash: Deine Interpretation ist interessant, entspricht aber nicht dem, was ich eigentlich versucht habe, mit dem Text auszudrücken.

@leixoletti: Ich werde die Verbesserungen dankend anehmen.
Das "Zusammenwürfeln" steht im Zusammenhang mit weiteren Faktoren, die hier genannt werden. Verständlich wird es in der passenden Interpretation.

Knobelt mal ein wenig vielleicht kommt der "Aha"-Effekt ja noch :D

Viele Grüße und noch mehr Spaß wünscht euch
lucino

 

Hallo Lucino,

mir hat Dein Text sehr gut gefallen.

Und ich glaube nicht völlig mit der Interpretation daneben zu liegen, wenn ich behaupte, dass es sich bei dem kleinen Mann um einen kleinen Jungen handelt, der auf der Schwelle zum Tode steht ("Den Vorhang schließen. Das Licht zerfließt langsam, die Dunkelheit marschiert ein. Legionen von tiefem Schwarz."). Auf dem Weg zum Himmel bzw. zur Hölle ("Gut oder böse?") sieht er nocheinmal die Welt ("Vögel fliegen, die Sonne strahlt und die Sonne zeigt die wunderschönsten Farben...."), bevor sie durch (Atom)bomen zerstört wurde ("Ein Rauchpilz und ein Inferno. Zerstörung. Schwarz."). Letztendlich stirbt der Junge aber nicht, nicht in diesem Augenblick und kehrt ins Leben zurück ("Den Vorhang öffnen. Das dunkel Vertreiben. Die schwarzen Legionen ersticken. Das Licht gewinnt die Überhand.").

Aus stilistischer Sicht haben mir besonders die Wortspiele und die Wortwiederholungen gefallen, z.B.:

"Zurück! Tiefer! Etwas! Gesehen. Nichts! Verstanden. Garnichts! Unternommen."
"Unendlichkeit, Tiefe, Trauer. Unendlichkeit, Weite, Hoffnung."
- ohne Ausrufezeichen/Komma gelesen, bekommt man eine andere Bedeutung; gefällt mir sehr gut

"Der Himmel in blau. Die Wies in grün. Der Fluss in blau. Der Wald in grün."
- die Wiederhohlung blau, grün, blau, grün, finde ich gut gewählt, denn mit diesen Farben sind Wasser (blau) und Pflanzen (grün) assoziiert. Ohne diese Beiden wäre ein Leben auf der Erde nicht möglich. Somit verstärkt die Wiederhohlung nocheinmal die Notwendigkeit.

"Eine Träne macht keinen See."
- auch hier das Spiel mit der Bedeutung durch Wiederholung. Erinnert mich an Gerdrude Stein ("Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose."), die viel mit Satz- und Wortwiederholungen gespielt hat.

So, nach alldem Lob auch Kritik.
Du verwendest in Deinem Text starke Bilder wie den Stuhl oder den angedeuteten Kampf zwischen Himmel und Hölle ("Das Eis umtanzt das Feuer...") und daneben wirkt dann die bildliche Darstellung der Erde sehr schwach.

"Eine grüne Wiese. Dahinter ein Wald. Voneinander getrennt durch einen reisenden Strom."

Das wirkt auf mich zu naiv, zu simpel. Da muss einfach mehr kommen. Später fällt das Wort Idylle, vielleicht könnest Du hier die Idylle beschreiben. z.B. das ein Schirmchen der Pusteblume durch den Sommerwind getragen wird und sich schließlich in einem Spinnennetz verfängt, das sich auf der Wiese unter einem Bienenstock befindet. So in etwa, je nachdem wie man Idylle definiert, aber ich denke Du weißt worauf ich hinaus will.

In diesem Zusammenhang halte ich auch grundsätzlich die Verwendung von Superlativen für problematisch, da sie einerseits dem Leser ein streng definiertes Bild aufzwängen und andererseits den Beigeschmack haben, als wäre der Author nicht in der Lage ein Bild oder eine Situation wiederzugeben.

"...die Sonne zeigt die wunderschönsten Farben."

die schönsten Farben - reicht auch. Wenn Du dem unbedingt noch Nachdruck verleihen möchtes, bau ein Farbspiel o.ä. ein, halte ich aber für überflüssig.

Gut, meine Gedanken dazu.

Eins noch. Als Verfechter der alten Rechtschreibung, stößt mir "garnicht" besonders übel auf, denn gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben.

Viele Grüße
graylox

 

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