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Bierkonsum

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06.10.2004
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Bierkonsum

Bierflaschen standen im ganzen Zimmer herum, alle leer. Seit vier Monaten war Francis nicht mehr aus der Wohnung gekommen. Der Laden lag um die Ecke, doch Francis war nicht mal fähig, Schuhe anzuziehen und aus der Tür zu treten. Alles in dem 2- Zimmer- Appartement stank, von dem Berg ungespülten Geschirrs in der Küche über die überall herumstehenden Aschenbecher bis zu den schimmeligen Fugen im Bad. Francis, 33 Jahre alt, arbeitslos, geschieden, saß Tag für Tag in seinem Sessel und rührte sich nicht. Links und rechts neben ihm, überall leere Bierflaschen. Keiner der Nachbarn sah ihn mehr, die Korridore des Wohnblocks blieben von seiner Anwesenheit verschont. Sein Briefkastenfach am Eingang quoll über von Werbung und Rechnungen und wurde seit vier Monaten nie geleert. Kein einziger persönlicher Brief, keine Postkarte eines Freundes; Francis hatte keine Freunde mehr. Früher hatte seine Frau die Post morgens heraufgeholt, doch vor vier Monaten hatte sie ihn endgültig verlassen. Die Einsamkeit überkommt einen schnell, wenn man ein geliebtes Wesen verliert. Die Einsamkeit lädt Freunde in die Wohnung ein. Neue Freunde. Bierflaschen. Sie halten Einzug, bevölkern den Wohnzimmertisch, den Bücherschrank, den Fernsehsessel. Francis sah die Bierflaschen nicht, seine Augen waren geschlossen. Er saß still und starr auf dem Sofa, tagein, tagaus. Bier war oft, seit es mit seiner Frau nicht mehr lief, sein Trost gewesen. Doch wie soll dieser Saft wirklich trösten? Seit vier Monaten war Francis’ Wohnungstür nicht mehr aufgegangen. Seit vier Monaten war keine Bierflasche mehr bewegt worden. Francis saß entseelt mit aufgeschnittenen Venen, das Messer noch in der Hand, in dem Sessel. Seit vier Monaten.

 

Hallo Milch!

Herzlich willkommen auf kg.de! :)

Ich finde die Art der Betrachtung ganz interessant, wirkt auf mich fast ein bisschen sarkastisch, aber es ist nichts wirklich Bewegendes, und irgendwie ist sie auch für eine richtige Geschichte in meinen Augen zu wenig. Ein bisschen mehr ins Detail und in die Tiefe könntest Du ruhig gehen, dann würde das schon werden. Ich erfahre zwar ein bisschen von Francis, im Grunde bleibt er mir jedoch ein Fremder. Obwohl ich wirklich interessant finde, wie Du erst so erzählst, als säße er einfach da, man hält es für lethargisch, und erst dann bekommt man mit, daß es sich eigentlich um einen Toten handelt. Aber wenn Du schon rückblickst, kannst Du es auch gleich ein bisschen weniger oberflächlich gestalten, ohne daß der Effekt dabei verloren geht. ;)

Wenn ich es richtig verstehe, standen die Bierflaschen schon da, als seine Frau ihn verließ? Also bezieht sich der Satz "Bier war oft, seit es mit seiner Frau nicht mehr lief, sein Trost gewesen" auf die Zeit, als sie noch da war? - Zumindest wirkt es so, da alles vier Monate her ist, sowohl, daß seine Frau ihn verlassen hat, als auch, daß er sich die Pulsadern aufgeschnitten hat. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Du das so gemeint hast, drum mach ich Dich drauf aufmerksam - gegebenenfalls kannst Du es ja in die gewünschte Richtung deutlicher machen. ;)

Aber einen Kritikpunkt hab ich schon: Wenn der Kerl seit vier Monaten tot in der Wohnung liegt, dann stinkt es nicht, wie beschrieben "von dem Berg ungespülten Geschirrs in der Küche über die überall herumstehenden Aschenbecher bis zu den schimmeligen Fugen im Bad", sondern dann muß der Verwesungsgestank so stark sein, daß er auch den Nachbarn auffallen muß...

Sprachlich finde ich die Geschichte ganz in Ordnung, besonders gefallen hat mir die Formulierung:

Die Einsamkeit lädt Freunde in die Wohnung ein. Neue Freunde. Bierflaschen. Sie halten Einzug, bevölkern den Wohnzimmertisch, den Bücherschrank, den Fernsehsessel.

Aber,wie gesagt, ein bisschen mehr davon, vor allem in die Tiefe gehend, fände ich halt schöner. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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