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Verixung der Zeit

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12.04.2002
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Verixung der Zeit

Das Schwarze Loch
oder
Die Verixung der Zeit
(Zur Abwechslung eine versuchte Stilflucht in die abartige Nettigkeit des Expressionismus)

Zwei Melonen, rund und saftig – Zucker, weißen prall und mächtig und doch so hautfarben aus dem noch weißeren Blusengrund. Licht, so magisch angezogen, verhellt das schon helle Schulterrund. Der dunkle Spalt zieht es gierig an, das Licht, er zieht und zieht daran. Doch der Spalt bleibt dunkel.

Die Bar vermannt in dichten Reihen. Der Herr der Nacht, Gott Alkohol genannt, steht fleißig stramm. Er lässt sich durch Nichts ersetzen, wenn Männer „Männer“ sind und bloß „Einen“ trinken. Die Flaschen, die Gläser salutieren. Die Zigaretten ziehen tief am Mund, die Luft hält sich kurz an, länger als noch gesund, und belungt dann den Raum mit Rauch, der sich verschwebend ringelt, manchmal im Zug der Schwingtür auseinander zittert und sich dann im trüben Licht der Bar verliert.

Das Weiß der Bluse engt auf einem Traum von einem Körper. Jede Faser spannt. Augen fantasieren: die Fasern sollen am Prall von Fleisch zerreißen! Doch ein Gewebe aus ururaltem und schon ewig lang bewährtem Stoff, als Baumwolle bekannt, zwickt an den gewissen Stellen – Danae zerrt einmal da und einmal dort – doch es hält, sich allen Wünschen widersetzend, stand und reißt nicht.

Der Spalt fleht um die Blicke. Die Gedanken dahinter verlochen in seinem tiefen Schwarz der Berg-an-Berg-Gewalten. Man kann erkennen: Danae ist sich über jeden kleinen Millimeter ihrer ganzen Macht bewusst. Sie buust sich auf, es wackelt das Gebluse. Jeder Verstand verrutscht. Sogar die Barhocker vernervösen und wetzen alle Hintern geil und wund. Danae zuckt nur mit der Hüfte, inhaliert das Giergeblicke, grinst in sich hinein, lässt die Luft in Serien aus ihren Gläsern und die Geldbörse nichts Böses denken und kassiert eiskalt die nächste Runde.

Ein Schluck schluckt gleich ein halbes Glas. Ein zweiter hofft sich in den Himmel, macht es dem ersten gleich. Ein Dritter hat alle Hoffnungen verloren und knallt nach seinem letzten Brustgeschiagel mit seinem harten Kopf beinhart auf den noch viel, viel härteren Tresen. Es kracht. Ein Blick von Allen nur und er ist vergessen. Ein Vierter will es wissen, rutscht voll Mut und vorgedachtem Redefluss von seinem Hocker und verunsichert mit weichen Knien, die schon viel zu lange eine Sinnlosigkeit von Nacht verhockten, die dicht an dicht gedrängte Umgebung.

Er schleicht sich von Hinten an seinen Traum heran, stößt mit steifem Unterleib an ihrem süßen Stockerlhintern an. Danae fährt herum. Ihre Pupillen blitzen. Sie sagt nicht ein einziges Wort, schaut ihn nur an. Da bleibt dem Mut sein Glück im Halse stecken: „Hey du, …. a Bier no, …. bitte!“ Ein braver Schritt zurück. „Okay, gleich. Der Tisch dort noch, …. du bist der Nächste.“ Doch bevor er wieder seinen Hocker sucht, stiehlt er sich noch schnell eine Ahnung für sein morgendliches Wixen. Diesen letzten Blick jedoch ließ der Herr der Nacht zu Danaes Glück an ihrem Schwarzen Loch vorbei verixen.

© Copyright by Lothar Krist (02.10.2004 von 03.25 bis 06.15 Uhr im Smaragd; Mann o Mann, was waren diese paar Zeilen doch für eine schwere Geburt?! Ich bin froh, dass ich mich heute unter einer Vielfalt von Stilen quer verdichten kann. Diese Expressionisten waren halt Könige in ihrem Metier. Sie hatten es wahrlich nicht leicht. Aber sie hatten es.)

 

Die Mühe hat sich gelohnt! Auch wenn ich manche Formulierungen nich so ganz nachvollziehen konnte oder vielleicht anders gemacht hätte, fand ich deine Geschichte zwar bedeutungsumschlingend schwierig zu lesen aber echt gut!! Sehr realitätsnah, zwei Wochen nach der Wiesn... ;) Finds ziemlich bewunderlich, ich hätts nich hingekriegt. Eins is mir noch aufgefallen:

noch viel, viel härteren Thresen
Tresen halt.
Und was mich ein bissal gestört hat, war, dass die Kellnerin die Geilheit ihrer Gäste so genießt. Ich glaub, dass des einen tierisch nervt, und so wirken die Wirtinnen ja meistens auch ;) Also is die Reaktion ("okay, gleich") für mich a bissal zu soft. Aber gut.
Ich fands gut, mal was anderes, hoffe, du bist vielleicht auf den Geschmack gekommen!? :D
Liebe Grüsse, Honibert :anstoss:

 
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Hi!

Danke! Auch für den Tresen, ich denke, da hat im Unterbewusstsein die Theke mitgespielt.

Man darf den hübschen Kellnerinnen und Wirtinnen nicht böse sein. Da steckt auch eine Menge überspielter Unsicherheit, vielleicht sogar Angst dahinter. Sie setzen sich eine Maske der kalten Sicherheit auf, damit sie von den Dodeln unter den Gästen in Frieden gelassen werden, und selbst das haut nicht immer hin, wie man an der Geschichte erkennen kann. Und sie hat das echt super gemacht, denke ich. Hat ihn mit den Augen angepfaucht, als er ihr sein Ding auf den Hintern drückte und war dann wieder cool. Sie hatte dann ihre Ruhe, ein Teil hat sich dann sogar vertschüsst. Die haben kapiert, die weiß sich zu wehren.

Du hättest das Mädel sehen sollen. War eine Neue, auch neu in Linz. Studentin, jetzt Anfang Oktober hat ja wieder das Semester begonnen. Sah echt toll aus, kann man gar nicht so gut beschreiben, fast ein wenig wie Gina Lollobrigida. Sie hat den ersten Tag gearbeitet und irgendwie hat sich mit der Zeit die ganze Aufreißertruppe, die sich auch sonst immer in den Bars der Altstadt herum treibt, aber meist einzeln, vor der Theke versammelt. Und eine Menge anderer Leute war an diesem Tag auch unterwegs.

Ich hatte auf einmal die Idee für so eine Prosa im Kopf, ich wollte so ein Bild mit Worten malen. Ich wäre ja eigentlich viel lieber ein Maler geworden, leider kriege ich keine geraden Striche hin. Das Komische daran ist, ich zittere kein bisschen, habe bei allen Gelegenheiten die ruhigste Hand der Welt. Doch wenn ich mich als Maler versuche, dann wird alles zu einem zittrigen Gekritzel. Manchmal denke ich, dass da Jemand ist, der unbedingt will, dass ich beim Dichten bleibe. Verdammt! Dabei mag diesen Dichter kaum Jemand.

Na ja, zurück. Jedenfalls war sofort der Titel da, weil an diesem Tag ein Haufen dichter Leute unterwegs waren. Drüben in Urfahr, auf der anderen Seite der Donau, war ja Jahrmarkt. Eine Unmenge „Leichen“ hat es in die Altstadt geschwemmt. Die Augen waren ein einziges Geschiagel. Und da hatte ich auf einmal diesen Titel „Verixung der Zeit“ im Kopf, weil fast jeder Blick, der mir begegnet ist, verixt ist. Eingefallen ist mir der Titel, als ich einem guten Bekannten begegnet bin. Ich grüße ihn, er will mir in die Augen sehen, die ixen sich aber knapp an mir vorbei. Er muss sie erst einrichten und dann findet er die meinen. Das geht natürlich schnell. Aber du kennst das ja sicher.

Ob ich auf den Geschmack gekommen bin? Da kannst du sicher sein. Ich schreibe ja oft so Impressionen über das Nachtleben einer Stadt von Heute. Ich schreibe zwar fast nur in dieser Kleinstadt Linz, aber ich denke, man kann die Geschichten in jedes Vergnügungsviertel der EU hinein versetzen. Und ich versuche dabei mit Worten Bilderfolgen zu malen, dabei verwende ich so eine Art postexpressionistischen Stil. Daraus ergibt sich, wie ich denke, mein Realismus (Impressionen mal Expressionen, ein Schuss Romantik, ein Spritzer überladene Renaissance da, ein Bus(s)erl Engelsrokoko dort, etwas muffiger Biedermeier dazu und fertig ist mein Realismus). Die alten Stile bunt gemixt ergeben die heutige Realität, so wie ich sie halt sehe. Eigentlich nenne ich meinen Stil ja den „brutalrealistischen Exzessionismus“. Ein Gedicht darüber findest du hier:
http://fanfiktion.de/?a=v&storyid=40989223000009680ca02710

Liebe Grüße
buji

 

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