Was ist neu

Porphyra

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31.07.2001
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Porphyra

Die Wörter waren Kerzenständer, Teebeutel, Rotalge, Wüste, trauern

„Wenn ich dich anschaue, sehe ich Porphyra vor mir.“
Seth dachte in Worten.
Das tat er, seit sie sich kennen gelernt hatten. Immer dann, wenn sie ihren Gefühlen folgten und sie nicht mehr tun konnte, als ihre Augen weit zu öffnen und ihre Ohren zu schärfen.
Wie oft in den letzten vier Wochen hatte sie den hellen Himmel über sich gesehen, während er mehr zu sich als zu ihr sprach. Wie oft hatte sie gedacht, hatte gehofft, etwas hinter diesen Gedanken zu erkennen – etwas, das ihr Aufschluss darüber geben könnte, wie sein Leben vor dem Ende verlaufen war.
Oder einen Hinweis darauf, warum ausgerechnet sie sich als die anscheinend letzten Menschen getroffen hatten.
„Porphyra?“, stieß sie hervor und keuchte auf, da die Hitze ihre Haut streichelte.
Seth antwortete nicht. Er konzentrierte sich zu sehr auf das, was sie gestern in der Ruine gefunden hatten und handhabte es mit großem Geschick.

Das Gebäude hatte in der Hitze geflimmert und Saliha hatte es zuerst tatsächlich für eine Einbildung gehalten. Doch es war da gewesen.
Altes Holz, ein Skelett in Wellblechhaut, das dem schon längst erfolgten Ende zu trotzen schien. Es beschützte nicht mehr als einen Raum und sie beide hatten nach den Überresten der Bewohner gesucht.
Auch hier schien nichts übrig geblieben zu sein.
Seth hatte angefangen, die Reste zu durchsuchen und nachdem sie in den Trümmern nichts gefunden hatten, hatten sie ihre Suche auf die nähere Umgebung ausgeweitet. Bald hatten sie den Vorratskeller entdeckt, in welchem sie neben Konserven, Wasserkanistern und menschlichem Tand dieses besondere Ding gefunden hatten, welches nun heiß über ihren Körper wanderte.
Sie hatten Wasser und Nahrung an sich genommen, ihren Fund eingesteckt und beiden war schon bei dem Anblick ein Schauer über den Rücken gelaufen. Zusammengenommen entstand dieses Gefühl aus Geben, aus Nehmen und einer gemeinsamen Empfindung des Schicksals, auch wenn sie sich des letzten noch nicht bewusst waren und es mehr einer Vorahnung von Regen glich, dem sich Pflanzen, Tiere und diese letzten beiden Menschen unbewusst entgegenstreckten.
Seitdem gehörte dieses Ding zu ihnen und mit diesem Tag entschied sich Sinn und Schicksal der letzten Menschen.

„Porphyra?“, fragte sie erneut, als sie beide unter den wenigen nackten Hölzern, die ein Dach bilden sollten, zur Ruhe gekommen waren.
Die Nacht kauerte unweit ihres Feuers.
„Porphyra, ja“, antwortete Seth. „Du weißt nicht, was das ist?“
„Nein.“
„Porphyra ist eine Rotalge, die damals an unseren Küsten vorkam. Wahrscheinlich immer noch vorkommt.“ Er schien zurück zu blicken.
Saliha musste lächeln. Es war erstaunlich, wie schnell sie beide das Wort ‚damals’ als Begriff für etwas akzeptiert hatten, das an sich noch nicht einmal sechs Wochen her war.
Seth fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes, schwarzes Haar und erzählte weiter.
„Ich nenne es Nori, das ist das japanische Wort dafür; dort drüben kam es auch recht zahlreich vor. Rotalge ist eigentlich auch der falsche Begriff, denn unter Wasser hat es mehr eine purpurne Farbe. Aber heller, beinahe wie Haut. Es fühlt sich ganz samten an. Wenn es in der Strömung nahe der Küste tanzt, ist es ganz weich und sehr ... anmutig.“
Wieder musste Saliha lächeln. Es war sehr schön, ihn so reden zu hören. „Es muss dir etwas bedeutet haben.“
„Nun, eigentlich war es nicht mehr als ein Vitaminlieferant für uns. Aber Nori hat etwas. Es hat eine besondere Art, sich zu bewegen. Manchmal sehe ich es in dir.“
„Ich weiß. Ich habe dich denken gehört.“
Seth nickte geistesabwesend. „Es ist nur schön, wenn es unter Wasser ist.“
Mehr sprachen sie nicht mehr. Während das Feuer nieder brannte, schliefen sie Arm in Arm ein. Das besondere Ding, welches sie in den Ruinen gefunden hatten, lag neben ihnen und schimmerte leicht im Schein der Flammen.

Seit einigen Tagen war Wüste um sie. Das Leben war hart, aber sie hatten es bis hier geschafft. Was eigentlich unwichtig war, denn Seth tat es in diesem Moment wieder. Mit diesem besonderen Ding hier, das eines der wenigen Artefakte war, die von der bekannten Welt übrig geblieben waren.
Warum nur so etwas? War da mehr ... Bedeutung?
Saliha spürte die derben Stricke um ihre Handgelenke, um die schlanken Fesseln ihrer Füße und versuchte, sich gegen sie zu wehren. Und dann berührte sie wieder das heiße Wachs, welches von den sieben Leuchtern des Kerzenhalters - ihres teuren Artefakts - tropfte; all ihre Muskeln zogen sich zusammen, und die Gedanken vergingen. Sie spürte den kurzen, scharfen Schmerz, wollte Arme und Beine gegen die Stricke bewegen, konnte es nicht und versuchte es doch wieder, einfach, weil es ihr, ihnen Spaß bereitete. Und weil es sie von den Gedanken über die Einsamkeit in dieser seltsamen neuen Welt fortführte.
Seth führte mit ihr einen nicht enden wollenden Dialog und in einem kurzem Moment erkannte sie, dass sie dabei nie über die alte Welt redeten, nie reden mussten, denn es fehlte ihnen in diesen Augenblicken an nichts. Er weitete langsam das Spielfeld in Breite und Tiefe und führte dabei den Kerzenständer mit immensem Geschick. Während Lippen sich erkundeten, lief die Sonne ihre Bahn ab und es war ihr vollkommen egal, was die Menschheit dort unten je veranstaltet hatte und was aus ihr werden würde. Das lag in der Hand von zwei Menschen, die zu diesem Zeitpunkt mit menschlicheren Dingen beschäftigt waren. Und genau das passte nicht in den Spielplan, der von einer viel größeren Macht ausgedacht worden und seit Jahrtausenden hier gespielt worden war.

Die Wüste schien endlos und Saliha und Seth litten unter den heißen Tagen und den kalten Nächten. Die Spiele und der Sex wärmten die Nächte auf, doch langfristig mehr den Geist als den Körper und so zitterten sie sich oft in den Schlaf.
Seit dem Ende hatten sie keine Menschen mehr gesehen und auch dieser Morgen hatte die leere Weite der Landschaft in samtrotes Licht getaucht. Der Gedanke daran war verwirrend, denn die einzige Tatsache, die sie begriffen, war, dass sie tatsächlich die einzigen Menschen zu sein schienen, die hatten bleiben dürfen.
Saliha hatte nie an Götter geglaubt, hatte Schicksal immer als eine in Form gepresste, religiöse Version des Zufalls betrachtet und war sich sicher gewesen, dass Leben und Sterben, wenn nicht durch Zufall beeinflusst, mehr oder weniger in ihrer eigenen Hand lägen.
Mit den letzten Wochen wurde ihr Atheismus zu einem Kampf. Es hatte keinen großen Knall gegeben, keine Kontinente übergreifende Supergrippe oder andere Katastrophen. Aber es fehlten die Menschen. Von heute auf morgen. Überall. Doch es war Zufall. Sie konnte nicht von sich behaupten, das alles zu verstehen.
Sonst wäre es auch nicht ein verdammter Zufall, oder?
Es war einer. Was sonst hätte ihr Zusammentreffen gewollt?
Sie waren beide aus verschiedenen Städten geflüchtet. Keiner von ihnen hatte bewusst darüber nachgedacht, aber hier – in der weiten Einsamkeit der Wüste – war ihr bewusst geworden, wie logisch und notwendig diese Flucht gewesen war. Hier draußen war es in Ordnung, war es normal, einsam zu sein. In den Metropolen der alten Welt tat es dem Geist zu sehr weh, die zahllosen Behausungen zu sehen und zu wissen, dass sie alle leer waren.
Ihre Gedanken verwirrten, taten weh und schon fühlte sie wieder den Wunsch nach ihrem Artefakt, an die Stricke und den weiten blauen Himmel über ihrem wehrlosen Körper aufsteigen. Sich hingeben bedeutete mehr denn je Entspannung. Und Loslösung von diesen gemeinen Zweifeln.
Unbewusst rieb Saliha ihre Handgelenke, als Seth sprach.
„Da muss Wasser sein.“
„Was ist?“
Seth deutete auf eine große Ansammlung von Bäumen, die in der Nähe einiger niedriger Felsen beieinander standen.
„Wasser. Wir haben nicht mehr viel. Außerdem gibt es da vielleicht Früchte.“
Sie sah ihn an. Zu rasten kam ihr gerade recht.
„Okay, lass uns hingehen.“
Er sah sie an und grinste. „Da gibt es sicher Wasser. Bäume in der Wüste klingt für mich wie Oase. Und da gibt es doch immer Wasser.“
Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. „Deinen Sarkasmus kannst du für dich behalten.“
Seth lachte, wandte sich von ihr ab und stapfte auf seine Entdeckung zu. Saliha sah vier der sieben Arme des Kerzenleuchters aus seinem Rucksack ragen und folgte ihm. Kurz darauf fühlte sie den warmen Sand unter sich und hatte das leise Rauschen der Quelle in den Ohren. Siebenmal flammte Seths Feuerzeug auf und dann war wieder der weite Himmel über ihr.
Porphyra lag in der Luft.

„Lass uns einige Tage hier bleiben.“
„Ja?“ Seth sah sie mit müden Augen an. Hinter ihm schmolz der Sand in der untergehenden Sonne zusammen.
„Nun“, sagte Saliha und zog ihn zu sich heran, „hier haben wir Wasser und die von dir vorhergesagten Früchte. Außerdem ist genug Holz da. Und ... wo sollen wir sonst hin?“
Er drängte sich an sie und rollte sich zusammen. Sie genoss die Wärme seines Körpers. Es war noch immer erstaunlich, wie schnell die Temperatur absank, wenn die Sonne verschwand.
„Das stimmt“, murmelte er. „Wo sollen wir sonst hin?“
Während er in ihren Armen einschlief, lag Saliha noch lange wach und genoß diese Situation. Es stimmte schon, was hatten sie für ein Ziel? Die Flammen des Feuers hielten die Dunkelheit einige Schritte entfernt und gaben ein Gefühl von Behaglichkeit, zeichneten einen Bereich, den Saliha für sich als den ihren empfand. Außerhalb lag eine riesige leere Welt in der es wenig gab, das sie in diesem Moment begehrte. War es hier nicht mindestens so gut wie an jedem anderen erreichbaren Ort?
Und jene Macht spürte, dass sie eventuell eingreifen musste, um ihren Spielplan aufrecht zu halten.

„Schau, was unter dem Brot lag!“
Seth hielt die Dose in der Hand, die sie in dem Keller des verlassenen Hauses gefunden hatten.
„Was denn?“ Saliha war noch nicht richtig wach, befand sich noch in einem Durcheinander aus Halbträumen.
„Tee, Saliha, Teebeutel. Klasse!”
Sie richtete sich verwirrt auf. „Teebeutel? Was zur Hölle ist so klasse daran?“
Seth grinste ihr ins Gesicht. „Na, wie kann man sein neues Zuhause wohl besser begrüßen, als mit einem frisch aufgebrühten Tee?“
„Zuhause?“ Sie fuhr sich über die Augen und sah ihn an. „Meinst du, du willst auch hier bleiben?“
„Ja, erst einmal schon. Wie gesagt, wo sollen wir sonst hin?“
Er lacht kurz und hell auf und Saliha liebte ihn dafür. Dann schürte er die Reste des Feuers und hantierte mit dem Topf, der ebenfalls zu ihrer Ausbeute gehörte. Sie sah es, drehte sich noch einmal auf die andere Seite. So hatte sie es sich gewünscht.
Kurze Zeit später brachte er ihr eine Tasse Tee und setzte sich neben sie.
Saliha nippte an dem heißen Getränk und konzentrierte sich auf den Geschmack. Er war etwas Besonderes, begrüßte sie doch so diesen Flecken Erde.
„Habt ihr Porphyra auch als Tee getrunken?“
„Porphyra? Nein, habe ich mal probiert, aber das schmeckt einfach nur salzig. Im Prinzip war Porphyra so eine Art Salat oder, wenn du so willst, Gemüse.“
Saliha legte ihren Kopf auf seine überkreuzten Beine.
„Warum erinnere ich dich daran?“
Er fuhr ihr mit der Hand durch ihr krauses Haar und lächelte sie an.
„Nun, wie ich gesagt habe. Es tanzt unter Wasser – und es lebt. Es sieht aus, als genieße es das Wasser um sich herum. Als lebe es dafür, dort zu gedeihen und uns ... na ja, Gutes zu tun, wenn wir es ernten und essen.“ Er hielt inne, legte die Hand an die Stirn, als dächte er nach. „Es ist so wie du bist, wenn wir es tun.“ Bei den Worten lächelte er wieder und fasste mit der Hand hin zu seinem Rucksack, aus dem wieder die Arme des Leuchters heraus ragten.
Sie folgte seiner Bewegung. „Was bedeutet das für dich?“
„Der Leuchter?“, fragte er. Saliha nickte.
Seth nahm sich einen Moment Zeit, trank seine Tasse leer und stellte sie beiseite.
„Ich hoffe, du denkst nicht, ich mach das nur, um dir weh zu tun.“
Sie schüttelte den Kopf.
Er nickte. „Das habe ich auch nicht erwartet. Weißt Du, früher habe ich einige derbe Sachen gemacht – in solchen Klubs.“ Sie nickte wieder. Auch sie war an solchen Orten gewesen.
„Das war seltsam. Nie besonders schön. Wenn ich da war, habe ich für die Zeit irgendwie ... abgeschaltet. Das war halt nur, um zu ficken und weh zu tun.“ Er lachte trocken auf. „Klar bin ich dabei auch gekommen, aber es war unschön, es war stumpf. Weiß nicht, wie du das als Frau empfindest, aber dieses stumpfe Kommen geht immer. Und man geht immer wieder hin.“
Saliha nickte wieder. Dumpfes Kommen kannte sie. Irgend ein Autor, den sie mal gelesen hatte, hatte es als grimmigen Orgasmus bezeichnet und das passte ihrer Meinung nach sehr gut. Die Gesichter der vielen Leute, die in dem Moment über ihr waren und in deren Mimik sie das Gleiche hatte erkennen können. Wenn ihr die Fesseln an ihren Gelenken mit einem Mal unangenehm waren. Es war ein gemeinsames Ding, zu dem man den anderen brauchte, aber letztendlich war man von seinem Partner fast immer ein halbes Universum entfernt gewesen.
Er fuhr fort: „Nachts habe ich mehr als einmal wach gelegen und überlegt, warum ich mir diese Scheiße antue. Weißt Du, wenn man dann kommt, ist der andere immer Welten weit weg.“
Genau so ist es.
Seth nahm ihren Kopf zwischen die Hände und ließ sie sanft an ihren Wangen liegen. „Weißt du noch, der erste Abend?“
Der erste Abend war seltsam anrührend gewesen. Saliha hatte gespürt, dass sie beide voneinander wussten, was sie mochten und wollten. Schon damals hatte er die Stricke aus seinem Rucksack hervorgeholt und schon damals war es ganz anders als jemals zuvor gewesen. Ihre Welten hatten sich nicht nur kurz berührt, um vor dem Höhepunkt wieder die gemeinsame Dimension zu wechseln.
Seth lachte, als er ihren Blick traf. „Du erinnerst Dich.“
Er fasste sie unter den Armen, ließ sich nach hinten fallen und zog sie mit sich, so, dass sie halb auf ihm lag und sie wehrte sich lachend. Dann umfasste er sie mit den Armen und sie lag still darin. Sein Mund war nah an ihrem rechten Ohr.
„Weißt Du, es ist ein seltsames Geschick, dass ausgerechnet wir uns getroffen haben.“
Dass ausgerechnet wir die letzen sind, wollte sie sagen, unterließ es dann aber.
„Ich habe immer nach jemandem gesucht, der so ist wie du. Du hast auch nach mir gesucht, nicht wahr?“ Seine Lippen berührten ihren Hals. Sie nickte und spürte die Gänsehaut sehr deutlich.
Er streichelte ihren Körper und ließ seine Hand langsam zur Mitte gleiten. „Als wir den Kerzenleuchter gefunden haben, erschien er mir einfach richtig für unsere Situation.“
Ja.
„Und jetzt gehört er zu uns.“
Das tut er.
„Wie das Wasser der Quelle.“
Aye.
„Wie der Himmel zur Erde.“
So ist es.
Porphyra.

Später am Tag kam Seth noch einmal auf das Thema zurück.
Sie hatten Holz geschlagen und Saliha dankte für das Beil, welches sie im Keller gefunden hatten. Gemeinsam waren sie dabei, eine Unterkunft zu errichten, die ihren einfachen Ansprüchen gerecht werden würde.
Mittags legten sie eine Pause ein, brühten noch etwas Tee auf und aßen einige Früchte.
„Es hilft mir, die ganze Scheiße zu vergessen.“
„Hm?“ Saliha sah ihn an und genoss den Anblick des Fruchtsafts, der ihm über die Lippen lief.
Seth warf den Rest seines Essens beiseite, fuhr mit der Hand über den Mund und sah sie mit seinen tiefen Augen an.
„Fast alles, was ich spüre, wenn wir es tun, ist die Freude daran. Aber es hilft mir, zu vergessen, dass wir beide anscheinend auserwählt sind. Denn davor habe ich Angst.“
Sie sah ihn lange an.
Er fühlte es auch. Dieses Gefühl – und er flüchtete auf die gleiche Weise. Aber - auserwählt?
Er wischte sich über die Augen. Unsicher.
„Wenn ich über dir bin und du wehrlos, habe ich das Gefühl, etwas in der Hand zu haben. Und ich gebe dann gerne, denn ich kann das kontrollieren, die Situation, einen kurzen Moment lang habe ich ...“ Sie fuhr ihm leicht über die Lippen. „Ruhig. Es ist nicht anders bei mir. Du gibst Sicherheit und ich fühle mich bei dir sicher. Vor allem, wenn wir es tun. Wir sind es, die einander festhalten. Außer uns ist da wohl nichts und niemand.“ Saliha spürte wie er sich mit dem Mund an ihre Lippen lehnte, die Bestätigung suchte und fand – und dabei kurz zitterte. Als müsste er kämpfen. Doch es war alles vollkommen in Ordnung und über Dinge wie Schicksal oder Bestimmung musste hier nicht nachgedacht werden. Dafür gab es zu oft die Momente vor dem Einschlafen.
Ihr kurzes Gespräch führte weiter und schon kurz darauf bettelte sie um den siebenarmigen Kerzenständer.
Alles war Porphyra.

Es waren Wochen vergangen. Wie viele, wusste weder Seth noch Saliha zu sagen.
Sie hatten ihre Behausung eingerichtet, so gut es ging. Seth hatte von der Quelle aus einen kleinen Kanal gebaut, der ihnen das Trink- und Waschwasser direkt in ihre Hütte brachte. Saliha hatte aus einer Schalenfrucht sogar eine Art Duschkopf gebastelt und so fühlten sie sich wie ein Königspaar. Der Gedanke weiter zu wandern war gegangen und sie gaben sich ihrem täglichen Leben hin. Das Feuerzeugbenzin war verbraucht, doch sie benutzen den Flint, denn es gab genug Brennholz, wenn sie des Nachts auf die Flammen verzichteten. Dafür gab es mehrere Lagen der langen Blätter, die sie in ihrer Oase ernteten. Wenn sie miteinander schliefen, benutzten sie nur noch einen Arm des Artefakts; das große Paket Kerzen würde so für lange Zeit reichen und wenn Seth manchmal eine zweite Kerze anzündete, so konnte Saliha doch nichts dagegen tun, denn in diesen Momenten bestimmte er.
Und das genügte, um sie mehr als zufrieden zu stellen.
Sie waren glücklich.
Und jene Macht schritt ein. Es galt, das Spiel in die richtige Richtung zu lenken – notfalls mit Gewalt.

„Es gibt niemanden außer uns.“
Seth beugte sich über sie und sah ihr in die Augen.
„Was? Was soll das denn jetzt?“
Eine berechtigte Frage, gerade jetzt, wo du kein Ablenkungsmanöver starten kannst.
Seth hatte in den letzten Wochen ab und an davon angefangen, aber immer war es Saliha gelungen, zur rechten Zeit das Thema zu wechseln. Sie wusste, wann er es eher nebenher sagte (was dann zumeist zum Sex führte) oder wann er es ernst meinte – und dabei so seltsam unwirklich war. Dann war es wichtig, das Thema zu wechseln, denn dieser Punkt, den sie schon beinahe erfolgreich verdrängt hatte, war der einzige dunkle Fleck am blassblauen Himmel über ihnen.
Aber jetzt war ein Themawechsel kaum möglich, denn Saliha lag auf dem heißen Wüstensand, Arme und Beine an zwei Bäume gebunden. Ihr Körper war straff gespannt und selbst in der Ruhestellung spürte sie den leichten Zug der Stricke – und sie verlangte nach dem Kuss des Wachses. Seth hielt den Kerzenständer in seiner rechten Hand, weit ab von seinem Körper und viel zu weit von ihrem.
Kein guter Moment für diese Frage.
„Seth, was ist los?“ Sie wehrte sich leicht gegen die Fesseln. Aus Erfahrung wusste sie, dass das motivierte.
Seth zeigte sich völlig unbeeindruckt, viel mehr, er warf ihr Artefakt von sich. Mit einem extrem unspektakulären Zischen erloschen die beiden Flammen. Und seine Augen waren ihr in diesem Moment so fremd.
„Saliha, ich glaube, wir sind nicht umsonst übrig geblieben.“
Sie sah ihn verständnislos an und vergaß für diesen Moment das Gefühl der Stricke um ihre Gelenke.
Er fuhr fort: „Du kennst doch die Entstehungsgeschichte. Adam und Eva. Ich glaube, wir befinden uns in genau dieser Situation.“
Saliha sah ihn stumm an, konnte nicht glauben, dass sie diese Worte tatsächlich gehört hatte. Sie hatte gedacht, dass sie ihn in der gemeinsamen Zeit gut kennen gelernt hatte. Doch Seth hatte nicht ansatzweise erkennen lassen, dass er glaubte. Sie lachte – unsicher.
„Seth, dir ist klar, dass das nicht funktionieren kann, oder? Überleg mal, was du da sagst. Wenn wir Kinder hätten, müssten die miteinander schlafen, um wieder Kinder zu zeugen und allein das ist krank. Und -“
In seinem ruhigen Blick erkannte sie, dass er diese Vorstellung schon durchdacht hatte und sie für anscheinend weniger krank erachtete, als sie es tat. Momente lang sahen sie sich an. Dann reckte sich Saliha wieder in ihren Fesseln.
„Weißt du, das ist keine besonders gute Lage für so eine Diskussion. Mach mich los und dann können wir darüber reden.“ Automatisch wollte sie ihm ihre Hände entgegenstrecken.
Seth fuhr sich mit der Hand über den Mund. „Saliha, ich hab nicht ohne Grund diesen Moment ausgewählt und ich hab mir auch gedacht, dass du nicht viel von meinem Vorschlag halten wirst. Deswegen kann - muss ich dich so allein lassen. Du kannst in Ruhe darüber nachdenken.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ging.
Saliha sah ihm ungläubig nach. Er ging tatsächlich. Sie schnappt nach Luft.
„Du Arsch! Hast du überhaupt eine Ahnung, was eine Geburt hier draußen bedeutet? Oder was du gerade kaputt machst?“ Aber er ging. Blieb nicht auch nur einen Moment stehen. Kurz darauf war sie allein.
Es war früher Vormittag. Ein früher Vormittag des neuen Spiels, das jene Macht spielte, die sich ihre Figuren zurecht schnitzen lassen wollte.

Später Nachmittag.
Schatten in ihren Gedanken. Sonne auf ihrem Körper.
Warum sie die beiden Bäume abseits ausgesucht hatten, wusste Saliha nicht. Aber es war so und diese beiden warfen kaum Schatten. Die Stricke scheuerten die Haut an Armen und Beinen wund und der stetige Zug tat ihren Gelenken weh. Doch am schlimmsten war die Sonne.
Saliha hatte nicht geglaubt, dass es so schnell so arg werden könnte, aber es wurden Schmerzen vom Himmel gesandt. Kein helles Blau mehr über ihr, enormes Weiß, das Augen und Haut weh tat.
Die erste Stunde über hatte sie sich gegen ihre Fesseln gewehrt, doch Seth hatte fest und gut gebunden. Der Sand unter ihr schmerzte auf der Haut, jede ihrer Bewegungen – und keine führte einen Schritt weiter.
Die Sonnenstrahlen hatten ihre Haut verbrannt. Sie hatten ihr Fleisch ausgedörrt, ihre Muskeln schwach gemacht und die Gedanken verflüssigt. Die Quelle plätscherte nicht weit von ihr und erzählte von Wasser in einzelnen, langsamen Tropfen.
Saliha hatte ihren Kopf gedreht und war in dieser Haltung verharrt, vor mehr als einer Stunde. Den Blick auf das Wasser gerichtet, darbte sie und ihre weichen Gedankenflüsse gingen an diesem Tag in viele Richtungen.
Allein ... zu zweit und Adam ist gegangen. Und eine leere Welt.
Porphyra. Es bewegt sich im Wasser, eine Farbe ähnlich der Haut und Anmut.
Seth? Porphyra ist eine Pflanze, nicht wahr? Seth? Das ist eine ...

„Seth?“
Ihre trockene Stimme kroch über den glühenden Sand, hinüber zu der Quelle, die so schön zu plätschern vermochte. Kämpfte sich unbeholfen durch die Unzahl an Sandkörnern, blieb hier und dort haften und kam doch schließlich an – ein leises Echo des Flüsterns, das sich von ihren Lippen stahl.
Es war nicht Seth.
Der Schatten flimmerte in der Hitze und verschwand für Sekunden zwischen den Luftschichten. Aber er war da. Und sah sie mit etwas an, das vielleicht Augen waren.
Und was ist das?
„Bitte, mach mich los“, schickte sie das nächste Echo über den langen Weg durch den Sand.
„Das kann ich nicht. Das kannst nur du.“
Zu verwaschen, um das zu verstehen.
„Bist du nicht in der Lage, um zu verstehen, was ich sage? Wohl kaum, bei dem Mangel an Glauben, mein Kind.“
Ihre Zunge fuhr zwischen die Lippen, wollte befeuchten, um eine Antwort zu ermöglichen. „Glaube ... ?“
„Ja. Du bist kurz davor, alles über den Haufen zu werfen. In deiner Uneinsichtigkeit, du starrsinniger Mensch. Jetzt stelle dir mal eine Welt vor, die vor knapp sechs Wochen noch von Milliarden Menschen bewohnt war. Und jetzt gibt es derer noch zwei. Der eine von ihnen wandert in diesem Moment durch die Hitze, richtig geglaubt hat er, aber ist nicht in der Lage, zu erzwingen. Denn er ist schwach, da er liebt - als Mensch. Als Mann. Der andere Mensch liegt hier vor mir und hat nichts, aber auch gar nichts außer der Möglichkeit zu glauben und zu akzeptieren. Doch es geht nicht in diesen kleinen Kopf hinein. Und mit jeder Stunde trocknet er mehr und mehr aus.“
„Ich ...“
„Ja, ich weiß, du glaubst nicht.“
„Nein, ich ...“
„Du hast nicht mehr viele Möglichkeiten. Zweifelst du daran, dass ich dich hier lassen könnte – für eine lange, lange Zeit? Kurz davor, aber nie daran, zu sterben? Ich kann ihn so lange durch die Wüste rennen lassen, bis er eines Tages nur noch ein hässliches und trockenes, einem Menschen nur beinahe ähnelndes und zwischen zwei Bäumen aufgespanntes Etwas wiederfindet, um das er nicht einmal trauern könnte. Ich weiß, du liebst diese Position und es kommt dir regelmäßig dabei. Aber nicht nach so einer langen Zeit. Nicht nach so einer Spanne an Zeit.“
Der Schatten nickte mit dem Kopf, bestätigte seine eigenen Worte und spielte mit einem schwarzen Auswuchs in den Wassern der Quelle. Dann sah er sie wieder an.
„Ich habe nur leider nicht die Geduld, mir so viel Zeit zu nehmen. Es gibt noch viele andere, um die ich mich kümmern muss. Wirst du also die dir schon seit eurem Entstehen erdachte Rolle weiter spielen oder wird das alles –„
„Maul halten!“
Die Worte waren ein staubiger Auswurf, der sich gegen alles richtete, was Er gesagt hatte.
„Fick dich du Wichser!“ Saliha richtete sich auf, so gut es möglich war. Ihre Lippen brannten. „Die seit unserem Entstehen erdachte Rolle? Die Frau, die für Adam die Beine breit macht, sich schnell vögeln lässt, um so wieder eine neue, konstant abhängige Rasse zu erschaffen, nur damit du wieder deine kleinen Spielfiguren hast und in vielleicht tausend Jahren wieder eine Frau in dieser Situation ist und du dein perverses Spiel noch einmal zum Höhepunkt treiben kannst? Es ist schon abartig, dass es dich selbst nicht längst anödet.“ Sie versuchte, auszuspeien.
„Schweig, Frau! Schon immer hast du Unterdrückung genossen. Nur deshalb hab ich dich –„
Saliha lachte auf und der Schatten hielt inne. Unsicher. Sie sah ihm in das, was wie Augen erschien.
„Übrig gelassen? Wolltest du das sagen? Du begreifst mich nicht einmal ansatzweise. Du hast mich und alle anderen erschaffen, so viel Unheil mit uns getrieben, bist krank und geil auf deine Macht. Und verstehst nicht einmal unsere einfache und tief empfundene Lust? Missverstehst sie? Du bist echt arm.“
Der Schatten schwieg. Und erzitterte in der Luft.
„In den Momenten, in denen Seth und ich miteinander sind, sind wir so viel stärker als du mit all deiner Macht.“
Saliha sah Ihn sich in aller Ruhe an und wurde sich der Schwachstelle bewusst, die Er hatte, schon immer gehabt hatte. Und jetzt waren sie nur noch zu zweit und außer ihnen gab es niemanden, der Ihm sonst auf dieser
seiner
Welt Halt hätte bieten können. Seth hatte nie geglaubt, war bis eben nur ein Spielball gewesen, das erhoffte As im Ärmel. Und sie?
Sie spannte ihre schwachen Muskeln ein letztes Mal und entschied das Los der letzten Menschen: „Ich glaube nicht an dich. Geh und spiel an anderen Orten.“

Saliha spürte das Zurren an den Fesseln und öffnete die Augen. Seth sah sie an und sie sah seine Verwirrung. „Seth.“
„Saliha, ich weiß nicht, was –„
„Es ist gut. Ich weiß es.“
Er nickte und löste unsicher ihre Fesseln.
Sie rieb sich die Hände. „Wir sind wirklich alles, was übrig ist – und es gibt keinen Grund, das nicht unser Leben lang zu genießen. Genauso, wie wir es wollen und wie es uns gefällt.“ Er half ihr hoch und führte sie zu ihrer kleinen Hütte hinüber. Die Sonne senkte sich wieder zum Horizont und tauchte die vielen Sandkörner, die raue Rinde der Bäume und die beiden Menschen in ein tiefes Rot.
Sie stützte sich auf ihn, stöhnte, denn ihre Haut brannte und loderte. Und während die letzen Menschen in ihr Leben hinein gingen, lachte die Siegerin hell auf.
„Jetzt sind es nur noch wir.“

ENDE

 

Hej baddax,

ich bin sprachlos.

Du hast mal wieder eine Geschichte geschrieben, die mich unglaublich beeindruckt hat. So sehr, dass ich teilweise sogar vergessen habe, Fehler zu suchen. ;)

Deine Sprache ist unglaublich eindringlich, zieht einen in den Bann changiert zwischen modern und fast schon historisch auf eine Art und Weise hin und her, die trotz aller Diskrepanzen absolut glaubwürdig ist.

Herrje, bevor ich hier gleich den baddax-Fanclub eröffne, bekommst Du noch meine völlig unzureichende Fehlerliste - der Rest kommt, nachdem ich sie ein zweites Mal gelesen habe!

Während Lippen sich erkundeten, lief die Sonne ihre Bann ab
Bahn
Unbewusst rieb Saliha ihre Handgelenke als Seth sprach.
Komma hinter "Handgelenke"
zeichneten einen Bereich, den sie für sich als ihren gemeinsamen Bereich empfand.
Wortwiederholung "Bereich".
Seth hielt die Dose in der Hand, die sie in dem Keller des verlassenden
geräumten
Hauses gefunden hatten.
Muss es nicht "verlassenen" ohne d heißen? Das Haus verlässt ja niemanden...
und so sie fühlten sich wie ein Königspaar.
Dreher: "und so fühlten sie sich..."
Das Feuerzeugbenzin war verbraucht, doch sie benutzen den Feuerstein zum Feuermachen,
Dreimal "Feuer" in einem Satz. Lass "zum Feuermachen" ganz weg, das ist eh klar, und ersetze "Feuerstein" durch "Flint(stein)".
Mit einem extrem unspektakulären Zischen erlöschten die beiden Flammen
erloschen
Und jetzt gibt es deren noch zwei.
derer

Hin und wieder sind Dir die Zeilenumbrüche missraten, schau sie noch mal durch!

Ich bin begeistert, was Du aus meinen Wörtern gemacht hast! :huldig:

Liebe Grüße

chaosqueen

 
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Hi,

*freu* - klasse, dass Dir die Geschichte so gut gefällt. :) War auch das erste Mal, dass ich etwas 'nachrecherchiert' habe (diese Pflanze), insofern tut das Lob doppelt gut, da die Arbeit sich dann ja gelohnt hat (obwohl, so zeitaufwendig war das Nachschauen dann doch nicht... :shy: )

Die Fehler hab ich schon mal ermordet, vielen Dank für die Hinweise. :) Kannte das Wort Flint überhaupt nicht - klingt so um Längen besser.

Meinst Du mit den Zeilenumbrüchen so etwas:

...Ihm sonst auf dieser
seiner
Welt Halt hätte bieten können.

Das mache ich gerne so, hab ich auch schon in mehreren Geschichten so gemacht. Soll ein Einwurf des 'Halbbewusstseins' der denkenden Figur sein. So korrigiert das 'Halbbewusstsein' die bewusst gedachte Einschätzung durch ein gefühltes Empfinden. Der Zeilenumbruch soll dieses nicht kontrollierte Korrigieren ausdrücken. Ist das zu blöd zu lesen? Hoffentlich nicht, denn ich liebe das einfach. :heilig: Deshalb steht das auch immer kursiv.

Vielen Dank fürs Lesen und Dein Lob!

Lieben Gruß, baddax

Ach ja: "modern und fast schon historisch" - hehe, das hat noch keiner gesagt.

 

Hej baddax,

nee, diese Zeilenumbrüche habe ich durchaus als gewollt interpretiert und nicht gemeint. Hm, ich suche mal eben einen... Ha, gleich noch einen Fehler gefunden:

als ihre Augen weit zu öffnen und ihre Ohren zu schihre ärfen.
Guck mal, da sind die die Finger auf der Tastatur verrutscht! ;)
Seth nickte geistesabwesend. „Es ist nur schön, wenn es unter Wasser
ist.“ Mehr sprachen sie nicht mehr.
Hier ist so ein Zeilenumbruch, der falsch ist.

Im übrigen finde ich das, was Du zum Thema SM (wenn auch sehr implizit) äußerst, erstaunlich treffend. Manchmal sind die Dinge, die man tut, um Nähe intensiver zu erleben, noch trennender. Toll herausgearbeitet!

"modern und fast schon historisch" hast Du jetzt aber ein wenig aus dem Kontext gerissen! ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,

ach so, hab ich natürlich gleich auf das, was ich meinte, bezogen. Klasse, dass die Umbrüche so rüberkommen, wie sie sollen. Werde mal die anderen Zeilenumbrüche durchchecken. Muß am Reinkopieren des Textes ins Textfeld liegen. :shy:
Das SM-Ding fand ich anfangs auch gar nicht so leicht einzubringen. Dann passte es aber immer besser. Ist ja auch Teil der beiden Figuren und sollte u.a. den beiden mehr Tiefe geben.
"modern und fast schon historisch" klang halt so interessant, in der Weise hab ich noch nie über die Sprache nachgedacht. Aber ich fühl mich dadurch darin bestätigt, dass die Sprache zu der Atmosphäre passt.

So, jetzt erst mal die Zeilenumbrüche aufspüren... ...errrrrrledigt. Hab aber nur den einen gefunden, welche meinst Du noch?

 

Kann sein, dass es auch nur der eine war, aber ich hatte das Gefühl, über mehr gestolpert zu sein... Wenn ich noch was finde, poste ich es!

 

Hi baddax,

eine wunderbar eindringliche und spannende Geschichte ist Dir auch diesmal wieder gelungen. (Ich fand auch Gedeons Verfall toll, obwohl ich nie die Zeit fand, Dir etwas dazu zu schreiben ...)

Mir hat alles gefallen: die Endzeitstimmung, die abwechselnd bedrückend und hoffnungsvoll herüberkommt; die einfühlsame Beschreibung der beiden Protagonisten, Dein sensibler Umgang mit den SM-Szenen und das, für mich unerwartete und so stimmige, Ende.

Was die SM-Szenen angeht, kann ich, ohne Erfahrung damit zu haben, nur sagen, dass mich Deine manchmal distanzierte und nie voyeuristische Darstellung in ihren Bann gezogen und beeindruckt hat.

Das Bild der Rotalge als Symbol gefiel mir sehr.

Unnötig zu sagen, dass sich die vorgegebenen Worte perfekt in der Geschichte verstecken :D.

Ein paar Anmerkungen habe ich aber doch noch:

"Bald hatten sie den Vorratkeller" --> Vorratskeller

"Zusammengenommen enstand dieses Gefühl aus Geben und Nehmen und einem gemeinsam empfundenen Gefühl von .... Vorgefühl" --> Das ist für meinen Geschnmack ein wenig viel Gefühl :D.

"und diese letzen beiden Menschen" --> letzten

" "Porphyra, ja", antwortete Seth. ... "Nein", antwortete ..." Wortwiederholung "antwortete"

"Es fühlt sich ganz samt an" --> samten, glaube ich :confused:

"... es ganz weich und sehr ..... ihn in so weichen Worten ..." --> Wortwiederholung "weich"

"der heiße Wachs" --> heißt es nicht "das Wachs" ?

"den Wunsch an ihr Artefakt" --> heißt es nicht den Wunsch nach etwas?

"Sie warf ihm einen schrägen Blick zu und klimperte..." --> Willst Du wirklich "klimperte" schreiben? Bei diesem Wort muss ich an Modepüppchen oder Barbiepuppen denken. Beim Lesen schien es mir so gar nicht zu Saliha zu passen.

"lange wach und fand Freude in ihrer Situation" --> Freude an ihrer

"und dabei kurz zitterte. Als müsste er kurz kämpfen." --> Du könntest doch das zweite "kurz" weglassen, oder?

"Sie sah in verständnislos an" --> ihn

So, das war's, was mir aufgefallen ist.

Liebe Grüße
Barbara

 

Ich bin ja als Kritiker der Wörterbörse verschrien. Ich sage immer: Man kann auch ohne Wortvorgabe gute Geschichten schreiben.

Man kann auch mit Wortvorgabe gute Geschichten schreiben.

Ist ja kein Widerspruch ;)

Interessante Idee, das Beherrschen-Wollen von der SM-Beziehung auf Gott und seine Schäfchen zu übertragen. Die schattige Figur bleibt hauptsächlich im Schatten, und das ist auch gut so, denn nichts ist trivialer, als ein ernst gemeinter, auf Erden wandelnder Gott.

Also: Gut geschrieben, darf gerne für ein paar Wochen in der SF-Rubrik vorbei schauen (oder in Seltsam) ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Ihr beiden,
vielen Dank fürs Lesen, die Kommentare und natürlich für Euer Lob. :)

@al-dente:
Danke für die Anmerkungen. Es ist echt hart, wenn man bedenkt, wie viele Fehler sich in eine Geschichte einschleichen - ganz abgesehen von den ein, zwei Tippfehlern, erschreckt es mich doch, wie viele Ausdrucksfehler drin sind, die ich allein nie bemerken würde. Vor allem diese blöden Wortwiederholungen, von denen chaosqueen ja schon welche gesehen hatte, sind echt schrecklich. Aber sie fallen mir beim Schreiben einfach nie auf :shy:
Auch die anderen Vorschläge sind klasse gewesen - habe sie gleich umgesetzt. 'Samten' ist laut Duden wirklich richtig - auch wenn es mich irgendwie an besamen erinnert. :D

Voyeuristische Darstellung wäre - glaube ich - auch nicht gut. Abgesehen davon, dass es oft jegliche Phantasie tötet, würde mir so etwas hier doch zumeist wohl etwas 'dumpf' vorkommen. Schön, dass Du von der Darstellung gebannt wurdest - so hat es sein Ziel nicht verfehlt. :)

Ebenfalls Danke für das Lob bezüglich Gedeon - bei wenigen Kommentaren denkt man irgendwie immer, dass die Geschichte so ziemlich ungelesen untergegangen ist; deshalb freut mich es mich doppelt. :shy:

@Uwe:
Die Idee hinter der Geschichte ist auch mehr beim Schreiben entstanden - vorher war ich mir gar nicht sicher, wie das zusammenpassen soll. Die Freude am 'Beherrschen' ist ja tatsächlich in beiden Beziehungen irgendwie zu finden - sie drückt sich halt völlig unterschiedlich aus. Diesen Menschen steht dieser Gott einfach in vielem nach; die beiden Figuren ergänzen sich und bilden ihre Einheit, während der Gott eben die Welten entfernt ist und sich in seiner Machtgeilheit nie wird annähern können. In der Weise sind sie das Ideal. Und er ist nie eins mit ihnen.
Mir gefiel der Gedanke des 'freien Willens' (sicher etwas pathetisch ;) ) in dieser Geschichte. Er hat sich seine Macht ja dadurch verspielt, dass er davon ausging, sie würden sich seinen Vorstellungen entsprechend verhalten. Und dann ist da auf einmal niemand mehr auf Erden, der an ihn glaubt - und er muss gehen. :D

Wegen der Rubrikverschiebung hat chaosqueen schon gepmt. Würde ich gerne machen - weiß momentan nur nicht, welche Rubrik ... ein unschlagbarer Vorteil der Wörterbörse, dass man hier nicht entscheiden muss. :D

Danke Euch beiden.

Gruß, baddax

 

Hallo baddax,

nun musste ich diese Geschichte doch mal lesen. :)
Am Anfang hatte ich den Eindruck, dass du Weltuntergangsszenarien wohl gern hast. Jedenfalls erinnere ich mich da an so eine Geschichte mit Musik. ;)
Diese Geschichte hat mir ausgesprochen gut gefallen. Vielleicht könnte sie zum Anfang noch etwas kürzer, muss aber nicht sein.
Die Religiosität von Seth hat mich trotz des biblischen Namens überrascht. Das Gegeneinander von Gott und Saliha entbehrt natürlich einer gewissen Logik, denn wenn er sich im Gespräch mit ihr äußert, sich zu erkennen gibt, dann kann sie nicht mehr von Glauben reden. Sie weiß um seine Existenz. Allerdings kann sie sich, wie in deiner Geschichte, gegen ihn entscheiden, denn der Mensch hat eine freien Willen.

War spannend zu lesen.
Ein Satz hat mich aber etwas rausgebracht.

Und dann berührte sie wieder das heiße Wachs, der von den sieben Leuchtern des
Artefakts
Kerzenhalters troff;
das Wachs, der troff?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo baddax!

Über die Abstimmung zu den Top 2004 (meinen Glückwunsch übrigens!) wurde ich an die Wörterbörse und die darin ruhenden Geschichten erinnert. Ein Glück, denn sonst wäre mir ein überaus faszinierender Text entgangen, der mich von Anfang bis Ende in seinen Bann gezogen hat. Im Gegensatz zu sim halte ich eine Kürzung für unnötig, da allein der Sprachstil und die beschriebene Atmosphäre zum Lesevergnügen beitragen. Buchstäblich Schritt für Schritt entsteht ein Bild der besonderen Beziehung dieser beiden letzten Menschen, deren Wege sich eben nicht zufällig kreuzten. Ein Mann und eine Frau, durch ihre sexuellen Triebe auserwählt, sich zu vermehren, sollen einem mächtigen Wesen zur Unterhaltung dienen. Dieser "Schöpfer/Gott" wird interessanter Weise nicht nur in Schicksale eingreifend, sondern auch als Voyeur empfunden. In seiner Selbstüberschätzung glaubt er, den schwächeren, augenscheinlich devoteren Menschen zum Glauben zwingen zu können, scheitert jedoch an dessen Widerstand. Was für ihn nicht mehr als eine Alge in der Weite des Meeres zählte, entpuppt sich als Individuum, das ungeahnte innere Stärke beweist.

Klasse Geschichte! :thumbsup:

Hier noch eine Kleinigkeit fürs Edit:

"Du kennst doch die Entstehungsgeschichte. ..."

Ciao
Antonia

 

Hi Ihr beiden,

vielen Dank fürs Lesen, Kommentieren und Loben! :)

@sim:
"nun musste ich diese Geschichte doch mal lesen." - Hehehe, ich krieg sie alle! :D Nee, freue mich, dass sie Dir gefallen hat.
Seth' Religiosität ist, glaube ich, mehr eine Angst - davor, dass etwas Übernatürliches ihre Lage verursacht hat, etwas, an das er eher ungerne glauben will, ein Schicksal, das noch mehr mit ihnen vorhat. Sein Adam-Eva-Flash am Ende ist dann von dem Gott hochgekocht worden, um den vorgedachten Weg zu erzwingen. Was Saliha angeht, ist es schon richtig, von Glauben kann sie nicht mehr reden. Ich würde mal sagen, der Begriff 'Glaube' steht am Ende eher für die Bereitschaft, sich diesem Gott unterzuordnen und ist einfach nur das bekannte Bild, welches sie automatisch verwendet.

Das troff wurde eleminiert - ist schon komisch, manchmal erfinde ich Wörter, auf die ich irgendwann hingewiesen werde und die dann einfach nicht im Duden stehen wollen... :shy:

Vielen Dank fürs Lesen und Loben!

@Antonia:
Danke für den Glückwunsch und die lobenden Worte! So, wie Du die Geschichte gelesen hast, soll sie gelesen werden, da kann ich nichts mehr hinzufügen. Danke schön. :) Das Edit wurde ausgeführt. ;)

Liebe Grüße an Euch!

baddax

 

Lieber baddax!

Ich fand Deine Version des Adam-und-Eva-Themas auch sehr interessant zu lesen. Du hast nicht einfach die alte Geschichte in eine apokalyptische Zukunft – zwischen verfallene Hochhäuser – verfrachtet, sondern Dir wirklich neue Gedanken dazu gemacht. Das verdient ein dickes :thumbsup:. :)

Stilistisch gewohnt gut zu lesen; da kann man nicht viel aussetzen, weil Deine Schreibe einfach fesselt. – Allerdings hier wiederum mit der Einschränkung wie bei der letzten Geschichte, daß mich diese King´schen Stellen zum Großteil aus dem Lesefluß reißen.
Neulich hast Du gesagt, daß Du die doch immer schon machst; aber weil ich ein ungläubiger Mensch bin, hab ich jetzt echt alle Deine alten Geschichten, die ich gelesen hab, durchgeklickt und bin am linken Rand langsam entlanggescrollt, aber ich konnte sowas einfach nicht finden. :susp:
Da ich schon bei der letzten Geschichte näher drauf eingehen wollte, mach ich das jetzt hier. ;-)
Ich meine, im Prinzip ist das ja nichts anderes, als ich es oben mit den Hochhäusern gemacht habe. Es verdeutlicht oder verstärkt etwas, oder man sagt das, was man eigentlich bzw. hintergründig gemeint hat, so wie Du es hier machst:
»Wie oft hatte sie gedacht
gesucht
etwas hinter diesen Gedanken zu erkennen«
Aber das »gesucht« fügt sich nicht gut in den Satz ein, egal, ob es in einer Extra-Zeile oder zwischen Gedankenstrichen steht, weil man nicht sagt »Wie oft hatte sie gesucht, etwas … zu erkennen«. Lesbarer wäre hier in meinen Augen:
»Wie oft hatte sie gedacht – gehofft – etwas hinter diesen Gedanken zu erkennen«
Oder beim nächsten Beispiel:
»dieses besondere Ding gefunden hatten, welches ihr gerade die Hitze
Wonne
bereitete.«
– Da man nicht sagt »welches ihr gerade die Wonne bereitete«, liest sich das schlecht. Ohne »die« würde es allerdings passen (dann stört mich nur mehr der Zeilenwechsel ;-)).
Bei diesem…
»der von den sieben Leuchtern des
Artefakts
Kerzenhalters tropfte;«
…würde ich den Kerzenhalter zuerst nennen, und bei…
»die sie in dem Keller des verlassenen
geräumten
Hauses gefunden hatten«
…sehe ich den Sinn nicht, da verlassen so gut wie geräumt ist. Oder nicht?
Richtig passend finde ich es hier:
»der Ihm sonst auf dieser
seiner
Welt Halt hätte bieten können.«
Da paßt es richtig in den Satz (und könnte – meiner Meinung nach – besser nur noch mit Gedankenstrichen und ohne Zeilenwechsel sein…;-)).

Aber, wie gesagt, auf jeden Fall eine tolle Geschichte!

Noch meine restlichen Anmerkungen:

»ein mit Wellblech behäutetes Skelett,«
– »behäutet« klingt sehr seltsam, vielleicht »ein Skelett in Wellblechhaut«?

»Sie hatten Wasser und Nahrung an sich genommen, jenes Ding eingesteckt und ihnen beiden war schon bei dem Anblick ein Schauer über den Rücken gelaufen.«
– »ihnen« würde ich streichen

»„Woher weißt du das denn?“
– die Frage klingt etwas naiv an dieser Stelle, so ein »dummes Weibchen« ist sie doch gar nicht. ;-)

»Die Flammen des Feuers hielten die Dunkelheit einige Schritte entfernt und gaben ein Gefühl von Behaglichkeit, zeichneten einen Bereich, den sie für sich als den ihren empfand.«
– da fände ich »den Saliha für sich als den ihren empfand« schöner

»als mit einem frisch aufgebrühtem Tee?“«
– »mit einem frisch aufgebrühten Tee« oder »mit frisch aufgebrühtem Tee«

»Seth nahm sich einen Moment Zeit, trank seine Tasse leer und tat sie beiseite.«
– Vorschlag: und stellte sie beiseite

»Das war halt nur, um zu ficken und weh tun.«
– und weh zu tun

»„Weißt Du, es ist ein seltsames Geschick, das ausgerechnet wir uns getroffen haben.“«
»Das ausgerechnet wir die letzen sind«
– 2 x dass

»Zum Mittag legten sie eine Pause ein,«
– Zu Mittag (hab extra in den Duden geschaut, ob es bei Euch im Norden denn »zum Mittag« heißt, aber das kennt der nicht)

»„In den Momenten, in denen ich und Seth miteinander sind,«
– eigentlich müßte es heißen »in denen Seth und ich«
– fände »zusammen sind« schöner als »miteinander sind«

chaosqueen schrieb:
Herrje, bevor ich hier gleich den baddax-Fanclub eröffne
Da kannst Du dich höchstens noch als Mitglied eintragen, immerhin hab ich jetzt schon 14 von 18 baddax-Geschichten gelesen und kommentiert. :p Du kannst Dich natürlich finanziell beteiligen: Du übernimmst die Ausgaben, ich die Einnahmen. :D

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hi Susi,
vielen Dank fürs Lesen, Loben und Kritisieren! :)

Hehehe...diese eingeschobenen Kursivdinger entwickeln sich noch zum Streitpunkt. ;)
Ich hab auch noch mal nachgeschaut und habs in 8 von 18 Geschichten gefunden (Gefühlsding, Sysiphuskind, Kühlhaus, Gedeons Verfall, Der Wind über uns, Haus am Meer diese und die Neueste - dabei hab ich kursive innere Dialoge nicht mitgezählt ;)). Wobei ich aber zugeben muss, dass ich es in den letzten beiden Geschichten im Vergleich zu den Vorigen wohl einfach übertrieben habe, denn hier taucht es wesentlich öfter
zu oft :D
auf (in den anderen Geschichten vielleicht ein oder zwei Mal). Und ich denke, das ist es: Zu oft stört es wirklich den Lesefluß, das werde ich ändern und hier gleich mal anfangen und Deine Vorschläge umsetzen (nur das mit seiner Welt gefällt mir am besten so wie es ist). Hab gerade noch mal in der Geschichte, die ich gerade schreibe, geschaut - da ist es noch nicht einmal aufgetaucht! ;)
Grundsätzlich ist meine Meinung aber immer noch diese (Original unter der anderen Geschichte):

Klar, man könnte auch Gedankenstriche nutzen, aber ich persönlich finde, dass - vor allem, wenn nicht in der ersten Person erzählt wird, sondern in der dritten - Gedankenstriche einfach nicht Zeichen genug sind, um darzustellen, dass es ein unterbewusster Gedanke des Prot. ist, der sich zwischen das bewusst Gedachte schiebt und zeigt, was der Prot. unterbewusst wirklich fühlt. Mit Gedankenstrichen wirkt es wie eine erweiternde, beschreibende Phrase des Erzählers, aber es zeigt eben nicht diesen unterbewussten Gedankenblitz, der schnell kommt und den man einfach unbeachtet wieder fortschiebt.
Es wirkt einfach mehr ... ähh... unterbewusst und ungewollt irgendwie. Wie gesagt, man muss es in Maßen einsetzen und es wurde zu viel. Vielleicht liegt das Unterbrechen des Leseflußes auch ein bisschen daran, dass auf dem Monitor so eine Beinahe-Leerzeile viel mächtiger wirkt, als sie es in einem Buch tut, wo die Seiten einfach nicht so breit sind...? Bei King jedenfalls hat michs noch nie gestört (er nutzt es aber eben auch in Maßen).

Die anderen Anmerkungen sind alle berechtigt und ich ändere sie gleich mal. Vielen Dank dafür und natürlich freue ich mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat! :)

Danke fürs Lesen und liebe Grüße

baddax

 

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