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Gartenarbeit

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02.01.2002
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Gartenarbeit

Nichts besonderes, nur eine spontane Fingerübung, weil ich die Wörterbörse mal ausprobieren wollte ...
Die Geschichte entstand zu den Wörtern: Lawine, himmelblau, Durst, erben und Schmalzgebäck.


Als Susan bei ihrem Geliebten eintraf, verschwendete sie keine Zeit.

"Was ist passiert?", herrschte sie Peter an, der wie ein Häuflein Elend vor ihr saß.

"Sie ist tot", krächzte Peter und brach in heftiges Schluchzen aus. Susan schwankte einen Moment, doch sie fing sich schnell wieder.

"Das hast du schon am Telefon gesagt", entgegnete sie. "Ich will wissen, was passiert ist!"

Peter wischte sich mit einer Hand über das Gesicht.
"... konnte nichts dafür ...", murmelte er kaum hörbar. "... einfach umgefallen ..."

Susan wollte gerade erneut nachsetzen, als ihr Blick auf etwas fiel. Ihre Augen weiteten sich.

"Was hast du getan", flüsterte sie.

Peter senkte seinen Kopf, bis auch er auf seine schmutzigen Hände sah.
"Ich hab sie begraben", gab er tonlos zurück. "Im Garten."

Susan schwankte abermals. Ihre Haut wurde aschfahl. Ihr Mund öffnete sich, doch sie brachte kein Wort heraus. Langsam sank sie auf den Stuhl vor sich nieder. Sie atmete tief durch; einmal, noch einmal. Nur mit Mühe fand sie ihre Sprache wieder.

"Du hast sie umgebracht." Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.

"Aber nein", protestierte Peter sofort. "Ich sagte doch, ich konnte nichts dafür! Sie ... sie ist einfach umgefallen." Er schniefte. "Sie wollte Schmalzgebäck machen und legte die Zutaten zusammen. Dann murmelte sie plötzlich, dass sie Durst habe, griff sich ans Herz und fiel um."
Als Susan ihn nur stumm anstarrte, fügte er hinzu:
"Sie saß genau da wo du jetzt sitzt, als es geschah." Susan sprang auf.

"Was soll das alles?", rief sie zitternd. "Verdammt, sie hatte einen Herzinfarkt, ja? War es das?"

"Vermutlich. Sie musste immer diese Tabletten-"

"Verdammt!" Susan begann in der kleinen Küche auf und ab zu wandern. "Sie ist also eines ganz natürlichen Todes gestorben, ja? Einfach umgekippt und tot, richtig? Oh, scheiße!"

Peter verzog das Gesicht. "Sie war älter als ich, das weißt du."
Susan blieb stehen und funkelte ihn an.
"Ja, sie war verdammt nochmal älter als du und sie war krank und jetzt, wo sie tot ist, verlierst du die Nerven und vergräbst sie im Garten!"

Peter zuckte unter ihren Worten zusammen.

"Ich habe nicht die Nerven verloren", begann er schüchtern, "ich bin sogar recht klar geblieben. Als sie so dalag und ich keinen Puls mehr fühlte, wusste ich, was ich zu tun hatte ..."

"Und wieso?" Susan schrie fast. "Deine Frau war krank, sie hatte einen Herzinfarkt und kein noch so verfluchter Arzt hätte irgendwelche Fragen gestellt, geschweige denn die Polizei informiert!" Ihre Finger krallten sich in ihre Haare. "Du hättest bloß einen dieser Quacksalber anrufen müssen und sie hätten sie weggebracht! Weg! Für immer!" Susan brach ab.

Peter schüttelte den Kopf. "Sie hätten geglaubt, dass ich sie umgebracht habe", begann er mit dünner Stimme, "sie hätten bestimmt geglaubt, dass ich ihr zu viele oder zu wenig Tabletten gegeben habe!"

In seinen Augen schimmerte es feucht.

"Es wussten doch alle, dass unsere Ehe nicht mehr funktionierte." Er schluchzte erneut. "Sie war doch gar nicht so krank, sie hätte doch so lange leben können!" Die letzten Worte wurden von seinen Tränen verschluckt.

"Schwachsinn", zischte Susan in die Stille hinein. "Niemand hat auch nur den leisesten Verdacht, dass wir beide ein Verhältnis haben. Du hast keine Nachbarn, sie hatte keine Verwandte mehr - niemand würde nachfragen! Fast jede Ehe scheitert heutzutage; es kümmert niemanden, ob ihr glücklich wart. Du wirst noch nicht einmal viel von ihr erben - glaub mir, kein Mensch hätte dich im Verdacht!"

Urplötzlich schmetterte sie die Faust auf den Tisch. Peter schrak zusammen.

"Wenn sie aber spurlos verschwindet, wird man natürlich Fragen stellen! Eine ganze Lawine wird damit in Gang gesetzt werden! Warum sollte sie dich verlassen, hm? Sie hatte kein Geld, sie sah nicht gut aus, sie war nicht gesund - verdammt, noch heute Abend hätten wir die Kripo hier und sie würden garantiert irgendwann auch das Haus absuchen!" Ihre Stimme überschlug sich. "Die würden doch den gesamten Garten abgrasen! Die würden Spuren finden, egal wie gut du alles tarnst ... Scheiße, du bringst uns noch ins Gefängnis, obwohl wir sie nicht einmal umgebracht haben!"

Sekundenlang schwiegen beide. Peters Körper bebte.

"Das habe ... ich ... ich ..." Mühsam versuchte er sich zu artikulieren. "... nicht daran gedacht ... " Seine Miene war kreidebleich.

In Susans Gesicht arbeitete es.

"Wo hast du sie vergraben?", fuhr sie ihn rauh an. Peter schluckte, ehe er stockend "Neben dem Rosenbeet" von sich gab. Susans Blick glitt aus dem Fenster.
"Wann? Wann genau?"
"Kurz ... kurz bevor du gekommen bist."

Ihr Atem ging schneller.

"Hast du sie irgendwo reingetan? Eingewickelt?"
Peter zögerte. "Ich hatte nur einen dieser Plastiksäcke", gestand er fast verlegen. "Einen dieser himmelblauen für die Mülltonne ..." Sie winkte ab.

"Das genügt. Komm mit. Wir holen sie raus."

Fassungslos stolperte Peter hinter seiner Geliebten her.

"Was hast du vor?"

Susan erreichte das Rosenbeet und prüfte die Stelle.

"Man sieht, dass du hier vor kurzen gegraben hast", rügte sie ihn.
"Ich wollte es noch sorgfältiger machen", verteidigte sich Peter mit herabhängenden Schultern.
Susan griff nach dem Spaten, der noch neben dem Schuppen lehnte und drückte ihn ihm in die Hand.

"Mach schon. Hol sie wieder raus." Als Peter nicht reagierte, fügte sie ungeduldig hinzu: "Wenn du sie gut eingewickelt hast, besteht die Chance, dass man ihr nicht ansieht, was mit ihr geschehen ist. Wenn sich noch irgendwelche Spuren finden, sagst du dem Arzt halt, dass sie ins Rosenbeet gefallen sei. Da ist es völlig logisch, dass sich noch Erdklumpen an ihr befinden!" Peter nickte stumm und begann mechanisch zu graben.

"Wir lassen sie am besten wirklich im Garten liegen", spann Susan ihren Gedanken weiter. "Du rufst den Notarzt an und sagst ihm, du hättest versucht sie wiederzubeleben."

"Ja", sagte Peter mit glasigem Blick, während er weitergrub. Der Erdhaufen neben ihm wurde immer höher.

Susan beachtete ihn kaum. "Sie können uns nichts anhaben, wenn alles nach Plan läuft, wenn wir sie so herrichten, dass niemand sieht dass sie begraben wurde. Nicht das geringste! Wir haben ihr nichts angetan, sie ist eines natürlichen Todes ge-"

Ein dumpfes Geräusch ließ sie zusammenzucken und sie fuhr herum. Peter starrte mit offenem Mund in das Grab. Die Schippe fiel zu Boden. Wie in Trance näherte sich Susan der erdigen Öffnung und spähte hinein.
Sie erbrach sich neben die blutige Spatenspitze, als sie den eingeschlagenen Schädel erkannte.

 
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Hallo Giny-Rose! Also für eine Fingerübung ist die Geschichte gut gelungen. Vor allem das Ende läßt mir die Haare zu Berge stehen. Gut gemacht-nur klitzekleine Fehler...

"Wo hast du sie vergraben?", fuhr sie ihn rau an.
(rauh)

Susan griff nach dem Spaten, die noch
(Spaten, der noch)

"Ja", sagte Peter mit glasigen Blick
(glasigem Blick)

erbrach sich neben die blutige Spatenspitze
(neben der)

Gruß Joker

 

Hallo Ginni,
makabere, kleine Fingerübung ist Dir da gelungen. Kompliment. Ich finde es immer wieder faszinierend, was für vollkommen verschiedene Geschichten aus den gleichen Wörtern entstehen.

LG
Blanca

 

Hallo Ginny!
hehe, nette Geschichte...also ehrlich gesagt, musste ich am Ende lachen. :D
Frag mich nicht warum, aber ganz am Anfang hatte ich den Verdacht, dass es sich um eine Pflanze handelt, die aus irgendeinem Grund den Löffel abgegeben hat. Aber dazu wäre der Titel etwas zu offensichtlich.
Für eine "kleine Fingerübung" ist dir eine nette, unterhaltsame Geschichte gelungen. :thumbsup:

bye und tschö

 

Hallo Ginny-Rose,

auch ich mußte lachen, als ich die Geschichte las, die Du aus meinen Wörtern gebastelt hast.

Durch den Titel und den Anfang hast Du mich zunächst auf eine falsche Fährte geführt. Es ging mir wie Sarah: Ich dachte Peter hätte eine von Susans Pflanzen auf dem Gewissen.

Als mir dann klar wurde, dass tatsächlich Peters Frau gestorben ist, da waren mir der lahme, weinerliche Peter und die eiskalte, strenge Susan schon so unsympathisch, dass ich regelrecht hoffte, es würde irgend etwas schief gehen. Eigentlich erwartete ich fast, dass die "Tote" sich beim Ausgraben als noch lebendig erwies, aber das hast Du mir ja zum Glück erspart.

Die Geschichte ist sehr unterhaltsam und es machte mir Spaß, sie zu lesen.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Ihr,

danke für Eure Kommentare. :-)
Witzigerweise hab ich zu den gleichen Wörtern noch eine Idee, die in eine völlig andere Richtung geht ... schon interessant, wie unglaublich schnell sich alle möglichen Assoziationen bilden.
Wenn Ihr Euch beim Lesen etwas unterhalten habt, bin ich schon zufrieden - ein bisschen makaber solte es sein und so ist es offenbar bei Euch auch angekommen.

Ginny

 

Hej Ginny!

Hat mir gut gefallen, Deine kleine Fingerübung!Ich dachte zunächst, es ginge um eine Katze...

Was ich mich allerdings frage: Wenn er ihr den Schädel eingeschlagen hat, warum schaut er dann so entsetzt? Weil er zum ersten Mal wirklich wahrnimmt, was er getan hat?

Auf jeden Fall stimme ich mit Barbara überein: Geschieht den beiden Recht, dass es nicht nach Plan läuft! :D
Und irgendwie hatte ich auch erwartet, dass sie noch lebt... Sind wir eigentlich alle geschädigt?

Bleibt noch eine Korrektur von Jokers Korrektur:
- "rau" ist nach neuer Rechtschreibung richtig
- man kann sich auch neben die Spatenspitze übergeben, daran ist nichts falsch! Ist halt eine Frage, ob es mehr um die Angabe einer Richtung oder eines Ortes geht... :D

Und wo ist die zweite Geschichte? *quengel*
Lieben Gruß

chaosqueen

 

Hi Ginny,
vielen Dank für die schöne Geschichte.
Kritik zu schreiben ist nicht so mein Ding.
Ich kann dir nur sagen, was mir passierte.
Deine Figuren sind für mich beim lesen »lebendig« geworden.
Für mich haben Kurzgeschichten sowieso einen Reiz der besonderen Art.
Wie ungeheuer interessant, mit einem unbekannten Menschen einen kurzen Ausflug in die Welt seiner Gedanken zu unternehmen.
Dabei war die Länge einer Story für mich eigentlich nie entscheidend. Wichtig ist für mich, dass ich in eine Geschichte eintauchen und einen Moment der Erkenntnis verspüren kann.
Dieser Moment kann auf die unterschiedlichste Art und Weise stattfinden. Hier war es eine Schlusspointe.
Eine kurze oder groteske Geschichte ist deshalb schwieriger zu deuten, da man
hier gezwungen wird, auf das Wunderbarste zuzugreifen, das uns ausnahmsweise 'mal kostenlos zur Verfügung steht. Unsere Fantasie!
Nachdem ich eine tolle Geschichte gelesen habe, kommt es bei mir zu einer seltsamen Reaktion.
Ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits freut es mich, dass ich diesen Augenblick erleben durfte,
andererseits fühle ich mich schon wieder ein wenig traurig, da ich weiß, jedenfalls mit dieser Geschichte, jenen einen Moment, nie wieder erleben zu können. Zwar kann ich später die Geschichte ein weiteres Mal lesen, doch der einmalige, wunderbare Augenblick der Erkenntnis, kann niemals wiederholt werden.
Doch wahrscheinlich muss es so sein, denn gerade dieses Bewusstsein erzeugt die Spannung, die sich, wie z.B. in deiner Geschichte, erst zum Schluß entlädt. So bin ich letztendlich wohl ständig auf der Suche und werde doch nie wirklich ankommen.
Ich bin jedoch gaaaaanz arg froh, dass ich bei dir kurz Zwischenstadion machen durfte und werde nach und nach (bin halt kein so guter Fließband-Leser) auch deine anderen Geschichten genießen.
Einen lieben Gruß von Fugalee Page

 

Sorrysorrysorry, hab es irgendwie verpennt früher auf Eure Kommentare zu antworten ... :-(

Ich hab eine kleine Änderung vorgenommen und zwar hab ich einen von Susans letzten Sätzen so verändert:
"Sie können uns nichts anhaben, wenn alles nach Plan läuft, wenn wir sie so herrichten, dass niemand sieht dass sie begraben wurde."
Ich hab nämlich das Gefühl (hab ich auch noch anderswo so erfahren), dass nicht ganz klar wird worin die Pointe zum Schluss liegt - nämlich darin, dass der Spatenstich der die Leiche verletzt den Beiden die Möglichkeit nimmt zu beweisen dass es ein natürlicher Tod war. Weiß nicht, ob das vorher schon so klar rüberkam. :shy:

@Queen:

Und wo ist die zweite Geschichte? *quengel*
*räusperhüstel* Das hat man nun davon, wenn man so großmäulig ankündigt noch mehr Ideen zu haben ... bisher ist die Geschichte nur in meinem Kopf, aber irgendwann kommt sie da raus, ich schwöre. :D

@Fugalee Page: Da weiß ich gar nicht was ich zu deiner Kritik sagen soll ... es ist wundervoll für einen Autoren zu lesen dass seine Figuren für den anderen lebendig wurden, deswegen: Danke!

Ginny

 

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